In wessen Kompetenzbereich fällt die künstlerische Forschung? Dieser Frage geht Jeremias Schwarzer – Professor für Blockflöte an der HfM Nürnberg – in seinem kürzlich in POLITIK & KULTUR erschienen Artikel nach.

Vollkommen zu Recht argumentiert Prof. Jeremias Schwarzer, dass künstlerische Forschung nicht ausschließliche Angelegenheit der Musikwissenschaft oder -theorie sein kann. Anders sehen würde ich jedoch die Ursache für die derzeitige Schieflage, die Herr Schwarzer in den Bolognareformen für die künstlerischen Musikstudiengänge sieht.

Künstlerische Forschung setzt voraus, dass eine künstlerische Handlung oder ein künstlerischer Gegenstand existiert, der erforscht werden könnte. Der traditionelle Fokus der Musikwissenschaft auf das Werk – performanceorientierte Ansätze wären eher im englischsprachigen Raum zu finden – bringt da bereits eine gewisse Tendenz mit sich. Zunächst ist also die Frage zu beantworten, was eine künstlerische Handlung im Zusammenhang mit dem Spielen eines ‚klassischen‘ Instruments oder auch der Konzeption eines Konzertereignisses eigentlich sein könnte. Künstlerische FORSCHUNG setzt darüber hinaus ein wissenschaftliches, also systematisches und nachvollziehbares Vorgehen, voraus. Nun ist es ähnlich anspruchsvoll sich ein wissenschaftliches Vorgehen anzueignen, wie ein hohes Niveau auf einem Instrument zu erreichen. Ganz simpel wird auf diese Weise sichtbar, dass künstlerische Forschung nur durch Kooperation von Künstlern und Wissenschaftlern (welcher Disziplinen auch immer) geleistet werden kann.

Nun stellt sich die berechtigte Frage, welche Situation, bzw. Struktur es braucht, damit künstlerische Forschung möglich ist. Und auch an dieser Stelle würde ich dem Autor recht geben: Die Studiensituation an vielen Hochschulen fördert kreative Auseinandersetzung künstlerisch Studierender mit ihrem Material – dem alten oder neuen Repertoire – oft wenig, wenn sie ihr nicht sogar entgegengesetzt ist. NUR: Dies ist kaum auf die Bologna Reformen zurückzuführen. Vielmehr würden sich die Konzeptoren der Reformen fröhlich lachend auf die Schultern klopfen, wenn ihre Reformen tatsächlich die Macht gehabt hätten, die Studiengänge so tiefgreifend zu verändern. Nicht weil sie kreativitätsfeindlich gewesen wären, sondern einfach, weil ihre Reformen überhaupt umgesetzt worden wären: Was ich damit sagen möchte ist folgendes: Die Hochschulforschung im Bereich der Musikhochschulen (ein nach wie vor sehr kleiner Forschungszweig) liefert vermehrt Hinweise darauf, dass die Umsetzung der Bologna Reformen an den Musikhochschulen in Bezug auf die Anlage der Studiengänge eher nach dem Prinzip des alten Weins in neuen Schläuchen erfolgt ist. Auch kann kaum von erfolgreicher Realisierung des student centered learning gesprochen werden, wenn Verantwortliche, wie kürzlich bei der Präsentation eines Forschungsprojekts geschehen äußern, dass Leistungspunkte nicht die relevante Währung an ihrer Hochschule wären, sondern Semesterwochenstunden. Darin zeigt sich die klassische und doch mittlerweile in der Didaktik völlig überholte Denkweise, dass nur der Präsenzunterricht, also der Input der Lehrenden zähle und nicht die selbständige Tätigkeit der Studierenden, die ja in Leistungspunkten im Gegensatz zum alten System abgebildet werden soll.

Kurzum – Bologna war es nicht. Die Frage bleibt aber natürlich bestehen, wie es sein kann, dass noch immer so wenige Alternativen zum Orchestermusikerdasein in künstlerischen Fächern vorgelebt wird, oder, wen es sie an den Hochschulen denn in anderen Instituten gibt, die Durchlässigkeit so gering ist? Bologna bietet durchaus die Möglichkeiten für Projekte, wie Herr Schwarzer sie sinnvollerweise vorschlägt. Was sind stattdessen die Gründe dafür, dass die Entwicklung und Förderung von Kreativität unter Absolvent*innen künstlerischer Studiengänge erst nach oder außerhalb vieler Hochschulen stattfindet? Das Argument ist hier nicht, dass dieser Bereich der einzig mögliche sein sollte, sondern ich argumentiere für Diversität! Und auch, dass Kreativschaffende mit vielen, insbesondere finanziellen, Herausforderungen konfrontiert sind, wiederhole ich auch an dieser Stelle gerne ein weiteres Mal.

Das finanzielle Argument heranzuziehen ist so einfach wie langweilig (wenn auch selbstverständlich valide). Im Bereich der Musikhochschulen sehe ich die Hindernisse eher in den Organisationskulturen, die bislang durch die formellen Strukturen kaum geändert werden konnten und die Innovativität und einem anderen, vielleicht neuen Verständnis von künstlerischem Risiko entgegenstehen.

Um abschließend auf die künstlerische Forschung zurückzukommen braucht es aus meiner Sicht zwei Dinge: Musiker wie Herrn Schwarzer, die mit Ungeduld die Institutionen von Innen herausfordern und Wissenschaftler*innen, die willens und in der Lage sind, kreative Prozesse wissenschaftlich nachzuzeichnen. Auf geht’s!